Mömlingen Heimat und Geschichte

 

 Zur Geschichte der alten Pfarrkirche St. Martin

 

Pfarrkirche Sankt Martin

 

Entstehung der Kirche

Erbaut wurde das im Barockstil gestaltete Gotteshaus in den Jahren 1774 - 1777. Damals zählte Mömlingen 540 Einwohner. Für sie und die etwa 100 Katholiken aus der benachbarten (lutherischen) Grafschaft Erbach, die hier den Gottesdienst besuchten, war das Vorgängergebäude zu klein geworden. Überliefert ist, dass es auch baufällig war.
Mit dem Erlös außerordentlicher Holzhiebe im Gemeindewald konnte ein Großteil der über 10 000 Gulden betragenden Bausumme abgedeckt werden. Um diese in Grenzen zu halten, legten die Mömlinger kräftig Hand an. In dieser Zeit sei nicht geheiratet worden, berichtet die alte Ortschronik, denn "männlich und weiblich stand in der Arbeit des Kirchenbaues"! Eine Erleichterung stellte die althergebrachte Baulastregelung dar, wonach die Dezimatoren (Zehntberechtigten), voran der Mainzer Dompropst als Patronatsherr, für den Chor (Altarraum) zuständig waren, doch verblieben der Gemeinde immer noch Langhaus und Turm.

Die Baurechnung lässt erkennen, dass man bei der Vergabe der nicht durch Eigenleistung zu bewältigenden Arbeiten durchweg auf bewährte Fachleute der näheren Umgebung zurückgegriffen hat. Als Baumeister fungierten Martin Scheiber aus Kleinwallstadt (wohl federführend) und Vill aus Klingenberg. Altäre und Kanzel fertigte der Bildhauer Ernst Hofmann, die Gemälde der Maler Bechtold (beide aus Aschaffenburg). Mit Orgelbauer Konrad Zahn (Großostheim), Steinhauer Schäfer (Mömlingen), Maler Nikolaus Battert, Schlosser Johann Heller (Großostheim), Uhrmacher Andreas Brucher (Dieburg), Zimmermann Friedrich Mensch (Mainaschaff) und den Schreinern Wernig (Kleinwallstadt) und Schüttig (Obernburg) vervollständigt sich die Reihe jener Werkleute, die der Kirche ihren künstlerischen bzw. handwerklichen Stempel aufgedrückt haben.

 

Meisterstück der neuen Baukunst

Wenn ein Ortschronist ein Bauwerk seines Heimatortes als außergewöhnliches Schmuckstück preist, so schwingt meist eine gehörige Portion lokalpatriotischer Stolz mit. Dass ein solcher bezüglich der Mömlinger St. Martinskirche durchaus seine Berechtigung hat, bescheinigte schon der bekannte Historiker Joh. Wilh. Christian Steiner. In seinem 1821 erschienenen Werk "Altherthümer und Geschichte des Bachgaues im alten Maingau" schreibt er: "Die Kirche in Mömlingen darf als Meisterstück der neueren Baukunst angesehen werden. Im Umfang der ganzen ehemaligen Cent Ostheim, vielleicht der ganzen Umgegend mit Ausnahme von Seligenstadt und Aschaffenburg, gibt es keine schönere!".

 

 

Innenraum der Sankt-Martins-Kirche

 

 

Sonderbare Bräuche

Über die sehr ansprechende Ausstattung der jetzt in neuem Glanz erstrahlenden Mömlinger St. Martinskirche ließe sich viel erzählen, noch mehr über die gut 200-jährige Geschichte des Bauwerkes. Beschränken wir uns hier auf zwei besonders interessant erscheinende Ereignisse. Als 1785 - damals unterstand Mömlingen noch kirchlich wie weltlich dem Mainzer Erzbischof - eine Visitationskommission die Kirche inspizierte, fielen den "hochehrwürdigsten Herren" zwei Öffnungen in der Chordecke auf. Nach deren Zweck befragt, erklärte der Mömlinger Pfarrer, dass diese für bestimmte veranschaulichende Zeremonien vonnöten seien. So ziehe man am Fest Christi Himmelfahrt eine Heilandsfigur an einem Seil in die Höhe, während man an Pfingsten Oblaten und Feuer von dort herab werfen oder auch Wasser herunterschütte, um die Herabkunft des Heiligen Geistes zu demonstrieren. Damit aber "hiebei kein Tumult oder Unordnung fürgingen", singe man währenddessen jeweils die "Non" (Tageszeitgebet). Dass die Visitatoren diese Bräuche verboten und dem Pfarrer nahe legten, dafür "schickliche und anpassende Predigten für das Pfarrvolk zu halten", hat in Mömlingen offenbar wenig Wirkung hinterlassen. In der Kirchenrechnung von 1801 ist nämlich die Anschaffung eines Strickes vermerkt mit der Angabe: "... wo unser Herrgott zum Himmel fahren thut ...".

 

Schiefer Turm

Ist dieser Brauch heute längst in Vergessenheit geraten, so bereitet ein anderer Vorgang, der bereits kurze Zeit nach Fertigstellung des Neubaues einsetzte, noch jetzt Sorgen: Der Kirchturm begann sich zu neigen! Die Ursache lag (bzw. liegt) darin, dass man ihn auf jenen Bereich des Bauplatzes errichtet hat, den man durch Aufschüttung hinzugewonnen hatte. Alle Maßnahmen, bis hin zu einer Änderung der Glockenaufhängung, erwiesen sich als unzureichend, so dass man vor wenigen Jahren, im Rahmen der Außenrenovierung, mit massiven Mitteln dem "schiefen Turm von Mömlingen" zu Liebe rückte. Ein gewaltiges Stahlbetonkorsett, mit dem man das Turmfundament stützte, soll seinem weiteren Bewegungsdrang Einhalten gebieten. Dennoch zeigen sich auch in jüngerer Zeit wieder Risse an den alten Bruchstellen. Hoffentlich sind es die letzten Nachwirkungen und der Turm hat nicht den Ehrgeiz, seinem berühmten Kollegen von Pisa nachzueifern.

 

Römische Göttersteine im Fundament

Für weitaus mehr Aufsehen als durch seinen schiefen Stand sorgte der Mömlinger Kirchturm, das markante Wahrzeichen des Ortes, auf andere Weise. Bei der Freilegung seiner Fundamente entdeckte man nämlich römische Götterbildnisse! Bei den unter großem Aufwand geborgenen Sandsteinen handelt es sich um zwei "Viergöttersteine" (auf jeder Seite der quadratischen Steine ist eine Gottheit dargestellt), die Bestandteile so genannter "Jupitergigantensäulen" waren. Auch ein großes Relief des besonders von Bauern und Waldbewohnern verehrten Silvanus kam zum Vorschein. Wie Farbspuren erkennen ließen, waren die Göttersteine einst sichtbar in der früheren Kirche eingemauert.

Originalgetreue Abgüsse von ihnen wie auch von einer schon früher in der Mömlinger Flur gefundenen römischen Schuppensäule mit Vierjahreszeitenkapitell sind auf dem Platz unterhalb der St. Martinskirche aufgestellt. Dort, wo im Mittelalter das Dorfgericht tagte, sind noch weitere historische Sehenswürdigkeiten zu finden. Die Seiten:

 

 Römische Göttersteine    und    Historische Grenzsteine

 

sowie eine Informationstafel des örtlichen Heimat- und Geschichtsvereins gibt ausführliche Auskunft. Es lohnt sich also, die barocke Sankt-Martins-Kirche und den Kirchplatz im landschaftlich reizvoll gelegenen Odenwaldort Mömlingen zu besuchen.

 

Text und Fotos: Wolfgang Hartmann

 

 

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