Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst, Band 74
(2022), S. 366-369:
Wolfgang Hartmann
Das Burgenrätsel Miltenberg-Freudenberg und die
Treuen Weiber von Weinsberg. Auf Spuren
der Herren von Dürn vom Kloster Amorbach zum ersten Stauferkönig. Neustadt a.
d. Aisch 2021, 278 S., 170 meist farbige Abb., 6 Stammtafeln
Was verbindet
die beiden am südwestlichen Rand des Mainvierecks gelegenen Burgen
Miltenberg (Mildenburg) und Freudenberg mit der Geschichte der
treuen Weiber von Weinsberg? Der ehemalige Miltenberger
Kreisheimatpfleger Wolfgang Hartmann taucht ein in die frühe
Stauferzeit, insbesondere die Zeit König Konrads III. (1138-1152),
um diesem Rätsel auf die Spur zu kommen. Die Mildenburg entstand
seiner Ansicht nach nicht, wie bisher angenommen, als Reaktion des
Mainzer Erzbischofs auf die um 1200 errichtete Freudenburg des
Würzburger Bischofs. Der Name verkörpere auch kein
Propagandaschlagwort gegen die im nahen (später von Mainz
zerstörten) Wallhausen zu Besitz gelangten Wittelsbacher
Pfalzgrafen. Entgegen den bisherigen Erklärungsversuchen, die auf
einem Gegensatz beruhen, sei vielmehr an einen Gleichklang bei der
Benennung der beiden Burgen zu denken. Eng verbunden
mit den beiden Burgen sind die (nach dem heutigen Walldürn
benannten) Herren von Dürn. Der erste Träger dieses Namens, Rupert
I. von Dürn, tritt als enger Gefolgsmann Friedrich Barbarossas ab
1171 ins Licht der Geschichte. Bei ihm handelt es sich nach Hartmann
um einen Sohn des für 1149 belegten Edelherrn Rupert I. von Frohburg,
dessen namensgebenden Wohnsitz er mit dem als „Räuberschlösschen“
bekannten Burgstall unweit der Freudenburg identifiziert. Woher kamen
nun die Herren von Dürn? Hartmann hält sie für stammesgleich mit den
ursprünglich edelfreien Herren von Weinsberg. Dafür spricht für ihn
u. a. die Ähnlichkeit der Wappen sowie der Altbesitz der Dürn im
Raum Weinsberg/Heilbronn. Wolfram I. von Bebenburg, der Gründer des
Zisterzienserklosters Schöntal an der Jagst, ist für Hartmann
personengleich mit Wolfram von Weinsberg und ein Bruder Ruperts I.
von Frohburg. Die Namen Wolfram und Rupert wiederum begegnen bei den
Reginbodonen, einem weitverzweigten fränkischen Adelsgeschlecht, dem
unter anderem die Grafen von Wertheim, die Herren von Schweinberg
und die Grafen im Ufgau (bei Karlsruhe) angehörten und dem Hartmann
auch die Herren von Weinsberg/Bebenburg und Frohburg/Dürn zuordnet.
Als Ahnherrn der Genannten betrachtet der Autor den Hochadeligen
Diemar von Detwang-Trifels, der bei Rothenburg ob der Tauber einen
Wohnsitz hatte und dem die berühmte Reichsburg Trifels ihre
urkundliche Erstnennung verdankt. Der Familiengeschichte der
Reginbodonen hat Hartmann bereits vor einigen Jahren ein
lesenswertes Buch gewidmet.[1] 1140 stand
die Burg Weinsberg im Mittelpunkt der Kämpfe zwischen König Konrad
III. und dem bayerischen Herzogssohn Welf VI. Der siegende
Stauferkönig erlaubte den Frauen der kapitulierenden Verteidiger
freien Abzug mit tragbarer Habe: Die listigen Frauen schleppten
daraufhin ihre Männer huckepack aus der Burg. Dieses einzigartige
Ereignis der deutschen Geschichte ist in der Kölner Königschronik
verbürgt. Als Anführer der welfischen Burgmannschaft spürte Hartmann
einen edelfreien Burkard auf – ein auch bei den frühen Dürn
erscheinender Name. Im weiteren
Fortgang der Ereignisse zog Konrad III. nach Hartmanns Erkenntnissen
1144 die dem damals verstorbenen Würzburger Hochstiftsvogt Graf
Gotebold II. von Henneberg zuzuschreibende Obervogtei des
würzburgischen Klosters Amorbach an sich. Die im Auftrag des ersten
Stauferkönigs auf Besitz des Klosters zur Beherrschung des
verkehrswichtigen südlichen Mainvierecks errichteten Burgen
erhielten die Namen Mildenburg und Frohburg. Sie bringen nach
Hartmanns Überzeugung die Dankbarkeit der mit ihrer Erbauung
beauftragten Weinsberger gegenüber König Konrad zum Ausdruck und
rühmen seine Milde. Die für 1138
überlieferte Weihe einer dem heiligen Godehard gewidmeten Kirche auf
dem Amorbacher Frankenberg/Gotthardsberg wertet der Autor entgegen
bisheriger Meinungen nicht als Konsekration einer zur dortigen
Vogteiburg Frankenberg gehörenden Kapelle, sondern als bereits
damals erfolgte Gründung des Gotthard-Nonnenklosters. Den zusammen
mit dem Würzburger Bischof am Vorgang beteiligten Abt des Amorbacher
Benediktinerklosters namens Gotebold ordnet Hartmann ebenso als Sohn
des Klostervogtes Gotebold II. von Henneberg ein wie den
zeitgleichen Aschaffenburger Stiftsvogt Timo von Prozelten. Ihm und
seinem Vater schreibt er auch die Entstehung der Henneburg über
Stadtprozelten zu, für deren Namen es bisher keine überzeugende
Begründung gab. Unter Konrads
Nachfolger Friedrich I. Barbarossa gelangten nach Hartmanns
Erkenntnissen mehrere vormalige Positionen der Grafen von Henneberg
am Untermain an die staufischen Reichsschenken von Schüpf, die mit
gleich vier Burgen markante Positionen am südwestlichen Mainviereck
besetzten. Ihre Vielzahl begründet der Autor mit der Übernahme der
Amorbacher Klostervogtei und damit auch der Lehenshoheit über die
Mildenburg und Frohburg durch den 1152 beim Tod seines Vaters Konrad
III. in der Thronfolge übergangenen Herzog Friedrich von
Rothenburg-Weinsberg. Dessen Opposition zum Kaiser schreibt er die
Aktivierung der früheren Amorbacher Vogteiburg Frankenberg zu, die
Barbarossa 1168, nach dem Tod des jungen Herzogs, auf Wunsch des
nunmehr mit dessen Herzogsrechten ausgestatteten Würzburger Bischofs
zerstören ließ. Wohl im Zuge des 1198 beginnenden staufisch-welfischen
Thronstreits gelangte die Mildenburg an den geschickt zwischen den
Fronten lavierenden Mainzer Erzbischof. 1172 konnte Mainz die
Amorbacher Klostervogtei von den an Bedeutung verlierenden Dürn
erwerben. Vor dem
Hintergrund eines über Jahrzehnte akribisch erarbeiteten Wissens
über die politischen Verhältnisse, Vogteien, Burgen und Geschlechter
am Untermain und seiner Umgebung bewegt sich der Autor bei seinen
genealogischen Kombinationen leichtfüßig durch die Geschichte der
Stauferzeit. In Exkursen geht er unter anderem noch den Fragen nach,
ob und mit wem König Konrad III. vor seiner in fortgeschrittenem
Lebensalter geschlossenen Ehe mit Gertrud von Sulzbach verheiratet
war und auf welche Weise die anzunehmende Beziehung des berühmten
Dichters Wolfram von Eschenbach zur Wildenburg der Herren von Dürn
entstanden sein könnte. Das Buch ist
eine Fundgrube für jeden an der mittelalterlichen Geschichte
Mainfrankens interessierten Leser. Durch seine vorzüglichen
Farbfotografien und Stiche lädt es dazu ein, die angesprochenen
Burgen, Herrensitze und Orte zu besuchen. Der Text wird ergänzt
durch Stammtafeln der wichtigsten Geschlechter, eine Zeittafel und
ein umfangreiches Literaturverzeichnis.
Stefan Huppertz-Wild
[1]
Hartmann, Wolfgang: Vom Main zur Burg Trifels - vom Kloster
Hirsau zum Naumburger Dom. Auf hochmittelalterlichen Spuren
des fränkischen Adelsgeschlechtes der Reginbodonen
(Veröffentlichungen des geschichts- und Kunstvereins
Aschaffenburg 52), Aschaffenburg 2004 |
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