Heimat und Geschichte

 

 

 Zur Geschichte der Josefskapelle

 

 

Josefskapelle

Erbaut wurde die am nördlich Rand des historischen Ortskernes von Mömlingen stehende Josefskapelle mitten im Dreißigjährigen Krieg. Erschließbar ist dies anhand einer am Altar der Kapelle erhalten gebliebenen (zwischenzeitlich erneuerten) Inschrift. Sie lautet: 

DIESE BILDVS HAD DER ERNHA.

HANNS MILLER VND ELISAB. SEIN

ELIGE HAVSFRA DIESERZE LAND-

SCHEF HABEN DIESE BILDN.

GOT ZV EREN AVS TRE

AUFRICHTEN LASSEN

anno 1630

 

Aus der Inschrift geht hervor, dass im Jahr 1630 der ehrenhafte (ERNHA.) Landschöffe (DIESERZE LANDSCHEF= dieser Zeit Landschöffe) Hans Müller und seine Ehefrau (ELIGE HAVSFRA) den Altar bzw. dessen Bildnis(se) Gott zu Ehren und aus Treue (AVS TRE) haben aufrichten lassen.

 

Die Erbauung der Kapelle dürfte der Altarstiftung unmittelbar vorausgegangen sein. Hinweise auf eine frühere Existenz der Josefskapelle gibt es jedenfalls nicht. Tatsächlich sind in der Mömlinger Gemeinderechnung von 1630 Kirchenbaumaßnahmen (Verträge mit Handwerkern) erwähnt. Wie eine eingehendere Überprüfung ergab, beziehen sich diese allerdings nicht auf die Kapelle, sondern auf einen zur gleichen Zeit in Angriff genommen (jedoch nicht oder nur teilweise verwirklichten) Neubau der Pfarrkirche. Die enge zeitliche Verbindung der beiden Bauprojekte lässt die Schlussfolgerung zu, dass man mit der Josefskapelle in erster Linie einen räumlichen Notbehelf für die Zeit des beabsichtigten Neubaues der Pfarrkirche schaffen wollte. Bezeichnenderweise diente die Josefskapelle auch bei der Errichtung der heutigen alten Pfarrkirche in den Jahren 1774 – 1777 als Behelfskirche.

 

In der alten Mömlinger Ortschronik steht zu lesen, der heilige Josef sei „schon in aller ältester Zeit als Schutzpatron des Ortes verehrt und angerufen“ worden. Für diese Aussage gibt es jedoch keine Belege. Hingegen weist die Patrozinienforschung darauf hin, dass Josef erst in der Zeit der Gegenreformation zu einem der herausragenden  Heiligen der katholischen Christenheit aufstieg; im Mittelalter war das Interesse an ihm relativ gering. Das Patrozinium der 1630 erbauten Mömlinger Josefskapelle ist demnach sicherlich vor dem Hintergrund zu sehen, dass wenige Jahre zuvor (1621) der Josefstag zum gesetzlichen Feiertag erhoben worden ist.

 

Die Altarstifter von 1630, der Landschöffe Hans Müller und seine Gattin Elisabeth, sind zwar auf der Schrifttafel bildlich dargestellt, doch ist von den beiden bisher weiter nichts bekannt. Bezüglich des Mannes ließen sich jedoch noch einige interessante Einzelheiten ausfindig machen. Sehr wahrscheinlich war er ein Sohn des von 1563 bis 1617 belegten Hans Müller, dessen Beinamen „Mühlhans“ zusammen mit weiteren Nachrichten verrät, dass er im Besitz der Mömlinger Mühle war. Als man 1609, wie jedes Jahr üblich, mit allen Dorfnachbarn auf dem Rathaus das neue Jahr feierte, bekam „mül hansen“ Wein und vier Weck für sein Gesinde mit auf den Weg. Das Dienstpersonal hatte offensichtlich daheim bleiben müssen, um die einsam an der Mümling gelegene Mühle vor Ungemach zu schützen. Vom Mühlhans hat zweifellos auch das 1666 belegte „Mühlhansenloch“ seinen Namen. Dort, am Südhang des Holzberges, wurde einst Eisenerz gegraben. Da der umliegende Privatwald früher „Müllershecken“ hieß, muss auch dieses Gelände dazu gehört haben. Hans Müller junior, den die Mömlinger mitten im Dreißigjährigen Krieg zum kurmainzischen Landschöffen wählten, entstammte somit einer recht wohlhabenden Familie. Mit ihrer Altarstiftung taten er und seine Frau sich nicht nur als Wohltäter ihrer Heimatgemeinde hervor, .sie setzten sich damit auch ein – damals sicher repräsentatives – Denkmal.

 

Die nächste Nachricht von der „St. Josephs Capell“ stammt aus dem Jahr 1743. Damals stiftete ein Johann Adam Seltner 20 Gulden für einen Jahrtag. Demnach wurden also Messen in der Kapelle gelesen, obwohl sie damals nicht als Behelfskirche diente. Anlässlich dieser Stiftung kamen die Verantwortlichen der Pfarrgemeinde überein, die mit der Kapelle zusammen hängenden Einnahmen in den Kirchenrechnungen gesondert zu verzeichnen, damit der „Mutter-Kirch“ – gemeint ist die Ortspfarrkirche – „keine Last zuwachsen möge“. Die Kirchengemeinde war also nicht für die Instandhaltung der Kapelle zuständig und wollte es auch nicht werden. Noch heute obliegt die Baulast der politischen Gemeinde.

 

1754 visitierte eine erzbischöfliche Kommission die Mömlinger Pfarrei. Im Protokoll ist bezüglich der Josefskapelle zu lesen: „Diese ist erst vor kurzem von einigen Wohltätern, die dort wohnen, erbaut worden“. Dieses Datum deckt sich mit dem kunsthistorischen Befund, dass die Altarfiguren aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammen. Damit steht fest, dass sowohl das Kapellengebäude als auch der Altar um 1750 neu gestaltet worden sind. War die alte Kapelle baufällig geworden oder gab es andere Gründe für den damaligen Neubau?

 

Die Lösung dieses Rätsels erbrachten die 2004/2005 durchgeführten Renovierungsarbeiten. Als Karlheinz Vandeven vom örtlichen Heimat- und Geschichtsverein und Schlüsselverwalter Egbert Lieb – beide Nachbarn arbeiteten unentgeltlich und ersparten der Gemeinde viele Kosten – den brüchigen Putz von den Mauern klopften, kam einiges zum Vorschein, was längst in Vergessenheit geraten war. Als Erstes war zu erkennen, dass die beiden Fenster des Gebäudes einst deutlich tiefer lagen. Sie sind im unteren Bereich vermauert und als Ausgleich nach oben vergrößert worden. Von vier rechteckigen Öffnungen, die anschließend innen, knapp über dem Fußboden, zutage traten, erwiesen sich zwei als ehemalige Sakramentsnischen (zur Aufnahme von liturgischen Geräten) und die beiden anderen als kleine Fenster der Eingangsseite. Die Schlussfolgerung, dass der Kapellenfußboden früher tiefer gelegen haben muss, bestätigte sich durch eine kleine Grabung. Knapp einen Meter unter den heutigen Sandsteinplatten konnte der alte, mit Ziegeln belegte Fußboden aufgedeckt werden. Der Kapellenneubau in den Jahren um 1750 war also mit einer Höherlegung des Gebäudes verbunden. Was aber hatte diese notwendig gemacht?

 

Der Grund war zweifellos die dort vorhandene und früher wesentlich höhere Hochwassergefahr. Hier vereinigten sich bei Unwetter die vom steilen „Kühzähl“ und tiefen „Bachetsgraben“ herkommenden Wassermassen. Bezeichnenderweise spricht die alte Ortschronik den Bauplatz der Josefskapelle als „Schuttablagerungsplatz des Hochwassers“ an. Da gerade für die Mitte des 18.Jahrhunderts gewaltige Unwetter in unserer Gegend überliefert sind, wissen wir jetzt, warum damals die Kapelle nicht nur neu, sondern auch auf höherem Bodenniveau errichtet worden ist.

 

Zwei zu beiden Seiten der Eingangstüre freigelegte kleine Ovalfenster können nun als aus dieser Zeit stammendes Schmuckwerk eingeordnet werden. Ihre nach innen sich erweiternden Öffnungen sowie die Decke erhielten jetzt wieder ihren früheren himmelblauen Anstrich. Ein Stück eines ebenfalls unter dem blätternden Putz erkennbar gewordenen Schmuckbandes im oberen Wandbereich hat Karlheinz Vandeven über dem Westfenster meisterhaft rekonstruiert. Zu den Entdeckungen der Renovierung gehört auch der jetzt ebenfalls wieder sichtbare, einst über eine Außenstiege erreichbare Zugang zur ehemaligen Empore. Sie war zusammen mit einem gleichfalls hölzernen Vorbau errichtet worden, als die Kapelle 1774 – 1777 während des Pfarrkirchenbaues als Behelfskirche diente.

 

Über dem Kapelleneingang befand sich seit den 1950er Jahren eine in Kratzputztechnik ausgeführte Darstellung des heiligen Josef als Zimmermann, gefertigt vom Obernburger Kunstmaler Richard Reis. Da sich auch unter diesem im Stil der damaligen Zeit gestalteten Bild der Putz gelöst hatte, konnte es nicht erhalten werden. Bei seiner Entfernung kam eine Rundnische zum Vorschein. Wie auf einer historischen Fotoaufnahme zu erkennen ist, stand darin eine Figur des Kapellenpatrons. Der Plan, eine neue Statue anfertigen zu lassen, konnte fallen gelassen werden, denn die alte Figur wurde auf einem Dachboden entdeckt und schmückt jetzt in idealer Form wieder die Eingangsseite der nunmehr über 350 Jahre alten Kapelle.

 

 

Text und Foto: Wolfgang Hartmann

 

 

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