Wandert man von der alten Steinbrücke, die bei Mömlingen über die
Mümling führt, am Fuße des bewaldeten Berghanges entlang zum Neustädter
Hof (Gemarkung Obernburg-Eisenbach), so durchquert man hierbei, obwohl
zwischen bayerischen Orten unterwegs, hessisches Gebiet. Der aufmerksame
Beobachter erkennt es an den alten Grenzsteinen längs des Weges, auf
denen ihm der hessische Löwe entgegenblickt, während das Kurmainzer Rad
sich auf der ihm abgewandten Seite befindet. Schaut man auf die Karte,
so stellt sich das Ganze als recht auffälliger hessischer Grenzzipfel
dar, der von der Berghöhe herunterzieht bis an den Wandrand oberhalb des
Neustädter Hofes und mit dem „Schlauchenwiesgraben“ wieder auf die
Odenwaldhöhen zurückkehrt. Das Meßtischblatt vermerkt die
Flurbezeichnungen „Neustädter Hofkopf“ und „Schlotrain“ für den
hessischen Berghang.
Der „Grafenwald“
Der
fragliche Walddistrikt gehört seit 1991 als Bestandteil des Forstgutes
Breuberg einem Großindustriellen namens Eisenmann aus Böblingen. Auf
älteren Schildern, die man noch findet, ist der vorherige Besitzer
genannt: die „Kurhessische Hausstiftung“. Diese geht im Odenwald auf
ehemaliges Eigentum der Grafen von Erbach (Linie Schönberg) zurück. Die
älteren Mömlinger nennen das Gebiet den „Grafenwald“. Die Grafen von
Erbach waren, zusammen mit den Fürsten zu Löwenstein, Erben der
Herrschaft Breuberg, die im Spätmittelalter komplett in der Hand der
Grafen von Wertheim war. Graf Rudolf IV. von Wertheim hatte eine Tochter
der alten Breuberger Herren geheiratet, die den Beinamen „Reiz“ führten.
Ein „B“ für Breuberg steht auch auf den erwähnten Grenzsteinen.
Daß
der merkwürdige Grenzverlauf etwas mit der Geschichte der Mömlinger
Gemarkung rechts der Mümling zu tun hat, steht außer Frage. Nicht weit
talaufwärts stand einst das abgegangene Dorf Hausen hinter der Sonne,
dessen Gemarkung großteils zu Mömlingen kam. Hat auch der Grafenwald
einst zu Hausen gehört?
Die mündliche Überlieferung
Eine
erste Bestätigung dieses naheliegenden Verdachtes findet man in der 1930
von Adam Otto Vogel herausgegebenen „Heimat- und Ortsgeschichte
Mömlingen“. Dort wird von einem Streit berichtet, der mit der Herrschaft
Breuberg um den Grafenwald (Schlotrain und Neustädter Hofkopf) geführt
worden sei, da die Mömlinger sich als Besitznachfolger von Hausen hinter
der Sonne betrachteten. Vogel zufolge hat sich der Prozeß lange
hingezogen und ist schließlich durch einen Vergleich beendet worden. Der
einen Partei wurde der Holzbestand, der anderen der Grund und Boden
zugestanden, die Gemeinde erhielt das Vorrecht des Auswählens.
Die
Mömlinger, geblendet vom schönen Hochwald, entschieden sich für den
Holzbestand; Breuberg fiel damit der Grundbesitz zu. Nachdem der
Vergleich rechtskräftig geworden war, wurde die Gemeinde zum Abholzen
gezwungen. Bald jedoch wuchsen wieder Bäume und die Mömlinger holten
sich dort immer noch ihr Holz. Als der herrschaftliche Förster schroff
dagegen einschritt, bedrohten sie ihn. Der Förster machte kurzen Prozeß
und erschoß - angeblich aus Notwehr - den Mömlinger Gabriel Loy. Von da
ab hielt die Furcht die Leute vom Grafenwald fern. Soweit die Chronik.
Auf der Suche nach Archivalien
Vogel
hat, wie er selbst angibt, seine Ausführungen der mündlichen
Überlieferung entnommen, da das Mömlinger Gemeindearchiv nach dem ersten
Weltkrieg großteils der Altpapierverwertung zugeführt wurde. Nun läßt
sich aber in keinem der in Frage kommenden Staatsarchive eine
einschlägige Prozeßakte ausfindig machen. Auch das Bayerische
Hauptstaatsarchiv, das die Reichskammergerichtsakten aufbewahrt,
erstattete Fehlanzeige. Gehört also diese Mömlinger Überlieferung in den
Bereich der Sage?
Es
wäre unbefriedigend, sich mit einer solchen Erklärung zufrieden zu
geben, zumal der seltsame Grenzverlauf des Grafenwaldes offensichtlich
keinen natürlichen Ursprung hat. Nach langjährigem Suchen nach dem
schriftlichen Nachlaß des eingegangenen Dorfes Hausen konnten im Archiv
der Grafen von Schönborn wie auch im Staatsarchiv Bamberg umfangreiche
Aktenbündel aufgestöbert werden. Sie betrafen etliche Streitigkeiten um
das „Dorff Haußen hinder der Sonnen uff der Mömbling gelegen“. Dazu muß
man wissen, daß Hausen einst dem Domstift Bamberg gehörte und zuletzt,
obwohl längst wüst, an die Grafen von Schönborn als Lehen vergeben war.
Was diese Unterlagen an Wissenswertem hergeben, könnte ein dickes Buch
füllen. Uns interessiert hier nur die Geschichte des hessischen
Grenzzipfels.
Die Schlothecke gehörte zu Hausen!
Hierzu überraschten die Archivalien mit sehr wertvollen Informationen.
Am aufschlußreichsten ist eine Urkunde von 1490. Sie berichtet von einem
Vergleich, den der bayerische Herzog und Kurfürst Philipp, Pfalzgraf bei
Rhein, zur Vermeidung „unnützlicher Costen“ vermittelte. Die
Kontrahenten waren die Ritter von Erlenbach (am Main) als damalige
Inhaber des bambergischen Lehens Hausen und Graf Michael von Wertheim
als Besitzer der Herrschaft Breuberg. Der Graf behauptete, die
„Schlothecke“ - das ist der ältere Name für den heutigen Schlotrain bzw.
Grafenwald - stehe ihm zu, ebenso das Jagd- und Fischrecht in der
Hausener Gemarkung. Dem entgegneten die Brüder Dieter und Dietrich von
Erlenbach, daß alle Rechte am Dorf Hausen und innerhalb dessen
Gemarkung, zu der die Schlothecke gehöre, ihnen zustünden, denn
sie seien die rechtmäßigen Lehensträger des Bamberger Dompropstes. Als
Beweismittel führten die Erlenbacher Ritter ihre von Bamberg
ausgestellten Lehensbriefe und die Tatsache an, daß die Hausener
Gemarkung gegenüber dem breubergischen Territorium abgesteint sei und
der Hausener Wald samt Fischwasser (Mümling) von ihren Leuten gehütet
werde.
Dem
nicht genug. Die Erlenbacher Brüder brachten noch vor, daß ihnen auch
ein Teil und ein Öffnungsrecht an der Burg Breuberg sowie ein Viertel
des Dorfes Hainstadt zustehe. Um Breuberg dürften sie auch Hasen fangen
und in der Mümling fischen bis an deren Mündung in den Main. Diese
Rechte wären von ihren Vorfahren an sie vererbt worden.
Bezüglich der mit Burg Breuberg zusammenhängenden Rechte widersprach
Graf Michael von Wertheim. Er führte an, daß schon sein seliger Vater
sich mit Wigand von Erlenbach, wie auch mit anderen breubergischen
Ganerben, deswegen geeinigt habe.
Der
auf Vermittlung von Pfalzgraf Philipp erzielte Vergleich brachte
folgendes Ergebnis: Graf Michael von Wertheim sagte zu, künftig in der
Hausener Gemarkung nicht mehr zu jagen und zu fischen, auch wolle er die
Schlothecke in Ruhe lassen. Dieter und Dietrich von Erlenbach
versprachen dafür, auf ihre anderen Forderungen „...imermehr zu ewigen
geßeitten...“ zu verzichten.
Daß
die Ritter von Erlenbach einst Ansprüche an der Burg Breuberg hatten,
ist der historischen Forschung bisher nicht bekannt. Wichtig für uns ist
die Erkenntnis, daß Graf Michael von Wertheim nicht umhin kam, die
Rechte der Erlenbacher auf das gesamte Dorf Hausen hinter der Sonne
anzuerkennen. Lag dessen Gemarkung dem Breuberger Burgherrn noch so
verlockend vor der Nase, die Bamberger Lehenshoheit über dieses Gebiet
mußte er (noch) respektieren.
Hausen wird aufgeteilt
Mit
diesem vor rund 500 Jahren vor dem kurfürstlichen Pfalzgrafen in
Heidelberg vereinbarten und mit vielen frommen Sprüchen und Vorsätzen
untermauerten Vertrag konnten die Erlenbacher Ritter den Wertheimer
Grafen in seine rechtlichen Schranken weisen, wobei es gut möglich ist,
daß sie als Gegenleistung Ansprüche aufgeben mußten, die ihnen,
wenigstens teilweise, durchaus zugestanden hätten, für die ihnen aber
eindeutige urkundliche Belege fehlten.
Hatten die Erlenbacher die Hausener Gemarkung gegenüber Breuberg noch
verteidigen können, so war die Front zu Mömlingen hin nicht zu halten.
Das hing damit zusammen, daß die Hausener Hubfelder schon großteils von
Mömlingen aus bewirtschaftet wurden, denn in Hausen stand damals
höchstens noch ein Hof, vermutlich der alte Fronhof des Dorfes. Die in
Mömlingen wohnenden Beständer der Hausener Huben, die ihre Hubgült an
die Dorfherren, die Ritter von Erlenbach, abliefern mußten (pro Hube 4
Malter Hafer jährlich), betrachteten sich als Rechtsnachfolger der
Hausener Dorfnachbarn und machten deren Beholzungsrechte geltend. In
ihrem Landesherrn, dem Erzbischof von Mainz, hatten sie einen mächtigen
Rechtsbeistand, der natürlich auch ein starkes Interesse daran hatte,
die Mömlinger Ansprüche durchzusetzen und damit die Verhältnisse an der
Grenze seines Territoriums zu seinen Gunsten zu verändern. 1492, zwei
Jahre nach dem Heidelberger Vertrag, mußten die Erlenbacher
zähneknirschend hinnehmen, daß der Mainzer Erzbischof Berthold von
Henneberg den Mömlingern ihre Rechte am Hausener Wald urkundlich
absicherte.
Schon früh halbiert
Interessanterweise waren aber die Rechte der Mömlinger Hubbeständer auf
einen Teil des Hausener Waldes begrenzt. Der „Buchberg“ wurde ihnen
zugestanden, somit jenes Waldgebiet, das Mömlingen am nächsten lag und
an die Schlothecke grenzte. Dieser Sachverhalt läßt erkennen, daß
zwischen den beiden Hausener Walddistrikten bereits eine Grenzscheidung
vorhanden gewesen sein muß. Auch dafür gibt es eine Erklärung. Nach
einer Urkunde von 1289, die sich (abschriftlich) ebenso wie jene von
1490 und 1492 bei den obenerwähnten Archivalien befindet, hatte schon
damals Heinrich von Erlenbach, ein Vorfahre der Gebrüder Dieter und
Dietrich, Besitz in Hausen hinter der Sonne. Allerdings stand Heinrich
nur die Hälfte des Dorfes zu. Auf diese schon frühe Halbierung der
Hausener Ortsgemarkung, sicherlich einst durch Erbteilung unter den
Bamberger Lehensträgern bedingt, dürfte die Abgrenzung der „Schlothecke“
gegenüber dem übrigen Hausener Wald zurückgehen
Erlenbach und Breuberg
Mit
der erwähnten Urkunde von 1289 erkannte Heinrich von Erlenbach die
Lehenshoheit des Bamberger Dompropstes über seine Hausener Dorfhälfte
an. Als einziger weltlicher Zeuge fungierte damals ein Herr (Gerlach)
von Breuberg. Diese Tatsache spricht für enge Beziehungen der Breuberger
Herren zu den Rittern von Erlenbach. Der verstorbene Würzburger
Archivdirektor Dr. Wolfgang Wann gibt in der Chronik von Erlenbach am
Main an, die Reiz von Breuberg seien mit den Rittern von Erlenbach
verschwägert gewesen. Leider ist sein Hinweis mangels genauer
Quellenangabe nicht überprüfbar. Die in der Urkunde von 1490
angesprochenen Rechte der Erlenbacher an und um Burg Breuberg wären
damit erklärbar.
Da
die Herren von Breuberg am Neustädter Hof sowie in Biebigheim, einem
eingegangenen Ort zwischen Pflaumheim und Wenigumstadt, zu Gütern
gekommen sind, die ebenfalls Bamberg gehört haben dürften, sind auch
alte Beziehungen der Breuberger zum bambergischen Hausen erkennbar.
Worauf diese zurückgehen und ob die Ritter von Erlenbach sich ihre
Hälfte von Hausen hinter der Sonne von den mächtigeren Reiz von Breuberg
erheiratet haben oder auf andere Weise dazukamen, bleibt leider im
Dunkel der Geschichte.
Verschollene Urkunden
Auf
einer im Staatsarchiv Würzburg befindlichen Karte der Gemarkung des
Neustädter Hofes (der Hof ist der Rest der alten Siedlung Neustatt) aus
dem 18. Jahrhundert ist das angrenzende Gebiet der heute hessischen
Schlothecke als „Breuberger Gemarkung“ ausgewiesen. Das gleiche ist auch
auf der ältesten Karte der Herrschaft Breuberg von 1615 der Fall, doch
läßt sich mittels der zuerst erwähnten Karte noch eine frühere Datierung
von breubergischen Rechten an der Schlothecke ausfindig machen. In der
Legende ist nämlich bezüglich des fraglichen Gebietes vermerkt: „Dieser
leere Raum ist dasjenige Stück Wald, so die Grafen von Breuberg als
Domini direkti (Inhaber eines unmittelbaren, als nicht verliehenen
Herrschaftsgebietes) sich in dem Sub.Lit: H beyliegendem Vertrag vom
Jahre 1563 § 2 vorbehalten haben.“ Was war das für ein Vertrag?
Im
Staatsarchiv ist zwar bekannt, aus welcher Akte die Neustädter Hof-Karte
entnommen ist, doch enthält die betreffende Archivalie keine Beilage „H“
mehr. Mehr Glück schien im Staatsarchiv Wertheim beschieden, wo - einem
Register zufolge - Urkunden des Neustädter Hofes in einem Faszikel
zusammengefaßt sein sollen, die mit dem Jahr 1563 begannen. Die erste
mußte der gesuchte Vertrag sein! Doch groß war die Enttäuschung: die
Wertheimer Archivalie ist verschollen.
Nächste Suchaktion war das Archiv der Gemeinde Eisenbach (jetzt
Obernburg), denn dieser Nachbarortschaft wurde der Neustädter Hof zu
Beginn des vorigen Jahrhunderts zugeschlagen. Tatsächlich ist im alten
Verzeichnis dieses Archivs als mit Abstand ältestes Schriftstück
ausgerechnet eine Urkunde von 1563 aufgeführt, betreffend die
Lehensübergabe des Neustädter Hofes an Heinrich von Obentraut und seiner
Gattin Regina von Praunheim seitens der Herrschaft Breuberg. Doch
seltsam, auch im Eisenbacher Archiv ist die Urkunde nicht auffindbar,
obwohl sie vor der Eingemeindung nach Obernburg noch im Rathaustresor
verwahrt worden ist.
Als
letzte Hoffnung blieb das Staatsarchiv Darmstadt, wo allerdings viele
Breuberger Unterlagen den Brandbomben des 2. Weltkrieges zum Opfer
gefallen sind. Glücklicherweise blieb der Bestand der Grafen von
Erbach-Schönberg davon verschont und dort fand sich - endlich! - eine
Abschrift der lange gesuchten Urkunde.
Immer wieder Breuberg
Bei
dem Schriftstück handelt es sich zweifellos um den in der Legende zur
Karte des Neustädter Hofes angesprochenen Vertrag. Unter Punkt 2 ist
nämlich zu lesen, daß der zwischen Schlauchertsgrund (Schlauchenwiesgraben),
Hofäckern und Mömlinger Holz (Buchberg) gelegene Wald, somit eindeutig
unsere Schlothecke, den Herren von Breuberg „... mit aller Oberkeit und
Gerechtigkeit, Grund, Boden, Gehölz und Waidgang, samt allen andern
Rechten, Nutzbarkeiten, auch Wildpann, Jagen und Hagen allein zuständig
sein und eigenthümlich bleiben soll ...“.
Damit
wird zweierlei deutlich. Zum einen betrachteten sich die Breuberger
schon (wieder) Mitte des 16. Jahrhunderts als die uneingeschränkten
Herren der Schlothecke, zum anderen legten sie großen Wert auf die
unmittelbare und unbeeinträchtigte Verfügungsgewalt über dieses
Waldstück. Wie konnten die Grafen in den Besitz der Schlothecke kommen
und warum hatten sie hieran so großes Interesse?
Ein hartnäckiger Schwiegersohn
Beide
Fragen scheinen beantwortbar. Verfolgen wir zunächst die
Besitzgeschichte von Hausen hinter der Sonne im fraglichen Zeitraum. Zu
Beginn des 16. Jahrhunderts starben die Brüder Dieter und Dietrich von
Erlenbach ohne männliche Erben. Bamberg sah deren Lehen als heimgefallen
an und belehnte 1509 den Ritter Conz von Aulenbach (ansässig auf Schloß
Oberaulenbach bei Hobbach im Spessart). Dieser bekam jedoch
Schwierigkeiten mit Johann von Hattstein, der mit Margarethe, der
Tochter Dieters von Erlenbach, verheiratet war. Obwohl Bamberg darauf
hinwies, daß es sich um ein Mannlehen handele und der Hattsteiner
deshalb als Schwiegersohn keine Ansprüche erheben könne, kamen Conz d.
J. und Heinrich, die Söhne des Conz von Aulenbach, nicht umhin, dem
Hattsteiner (1517) den Halbteil seines Schwiegervaters Dieter für 300
Gulden abzukaufen. Die Aulenbacher hatten somit - abgesehen von den
Rechten der Mömlinger Hübner am Buchberg - Hausen wieder in einer Hand
vereint. Doch dieser Zustand währte nicht lange.
Arme Aulenbacher Ritter
Offensichtlich haben sich die Aulenbacher bei dem Erwerb von Hausen -
auch Bamberg vergab das Lehen nicht umsonst - finanziell übernommen. Um
ihre Schulden zu decken - selbst Johann von Hattstein gehörte zu ihren
Gläubigern -, verpfändeten sie 1520 Hausen für 630 Gulden an das
Kollegiatstift Aschaffenburg. Ausgenommen waren die Jagd und das
Fischrecht in der Hausener Gemarkung. Die Zustimmung des Bamberger
Dompropstes als Lehensherr hatten sie ordnungsgemäß eingeholt. 1533
bitten die Aulenbacher um eine Erhöhung der Pfandsumme auf 800 Gulden.
Die Stiftsherren sind damit einverstanden, doch muß Conz der Jüngere
seinen Hof zu Mönchberg, Pfeilhof genannt, als Pfand einsetzen.
1547
erwerben die Aulenbacher Hausen vom Aschaffenburger Stift zurück. Die
Geldsumme stellt ihnen ein später (1556) in den Ritterstand erhobener
Offizier namens Hans Walhart zur Verfügung. Dieser hat sich damit
Ansprüche auf Hausen gesichert, doch muß er noch 14 Jahre warten, bis
Bamberg ihn als Lehensträger des Domstifts und Besitznachfolger der
Aulenbacher endgültig anerkennt.
Um
dies endlich zu erreichen, setzten sich im Winter 1561 Hans Walhart und
die Brüder Conz, Hans, Heinrich und Barthelmes von Aulenbach auf ihre
Pferde und ritten nach Bamberg. Dort schilderten sie dem Dompropst ihre
Nöte. Die hierbei entstandenen Aufzeichnungen des Domstifts sind für uns
sehr aufschlußreich. So erfahren wir, daß die Aulenbacher nach dem Tod
ihres Vaters Conz, der Hausen an das Aschaffenburger Stift verpfändet
habe, „... in großes unvermogen gerahten ...“ seien, wozu auch die „Kriegslaufften“
(in den fraglichen Zeitraum fallen der Bauernkrieg, der Schmalkaldische
Krieg und der Markgräfler Krieg) beigetragen hätten. Es sei ihnen
deshalb nicht möglich gewesen, sich „... der beschwerlichen pfandschafft
abzuledigen ...“ und zu verhindern, daß ihr Lehen Hausen hinter der
Sonne „... durch die genachbarten Herrschafften in allerley abnemen
khomen ...“. Die bösen Nachbarn werden sogar beim Namen genannt: die
Herrschaft Breuberg und das Erzstift Mainz.
Rigorose Breuberger Herren
Wir
wissen, welches Stück sich die Breuberger Herren am Hausener Kuchen
abgesäbelt haben, natürlich die Schlothecke, den Grafenwald. Und wir
kennen jetzt auch die Umstände, die dies ermöglichten. Zunächst das
Ableben der Ritter von Erlenbach, womit der Vertrag von 1490 nicht mehr
eingehalten werden mußte. Dann die politische und finanzielle Schwäche
der Aulenbacher und - letzteres verstärkend - die Kriegswirren dieser
Zeit, die auch das Untermaingebiet stark in Mitleidenschaft zogen und
das völlige Wüstwerden von Hausen bewirkten. Nicht zuletzt waren es die
Verpfändung des Ortes an das Aschaffenburger Stift - dort galt das
Interesse primär den Hubabgaben - und die Ortsferne des Bamberger
Dompropstes als Lehensherr, die Entfremdungen begünstigte.
Das
Bamberger Protokoll von 1561 vermerkt noch, daß Walhart den seitens
Mainz und Breuberg enteigneten Besitz „... mit schweren großen uncosten
zu sich wider bracht und gezogen ...“ habe. Weit her kann es allerdings
mit dem zurückerworbenen Besitz nicht gewesen sein, denn wie wir wissen
hat Breuberg 1563 über die Schlothecke verfügt, und gegen Mainz zog
Walhart einige Jahre später sogar vor das Reichskammergericht. Bevor
jedoch ein Urteilsspruch gefällt werden konnte, verstarb der bedrängte
Ritter. Als Bamberg daraufhin (1584) die Echter von Mespelbrunn mit
Hausen belehnt, kann der Dompropst bei den Vorverhandlungen nur darauf
hinweisen, daß eigentlich auch die Schlothecke zu Hausen gehöre,
allerdings „... anderst nicht allß strittig in dießen Kauff gezogen ...“
werden könne.
Von den Grafen abhängig
Allein aus der Sicht der Hausener Archivalien ist es unverständlich,
warum der Ritter Hans Walhart nur gegen Mainz prozessierte und keine
gerichtlichen Schritte unternahm - auch die Aulenbacher und Echter
hätten es tun können - um die Breuberger (wieder) aus der Schlothecke zu
verweisen und den Wald als Bestandteil der Hausener Gemarkung in Besitz
zu nehmen. Daß er zu Hausen gehörte und diese Tatsache auch Breuberg
bekannt war, dafür war doch gerade die Urkunde von 1490 ein gewichtiges
Beweismittel. Nicht zuletzt sprach (und spricht) doch auch die Lage des
strittigen Waldstückes zwischen Hausen und Neustädter Hof, die zudem
beide rechtlich bis in die Neuzeit eng miteinander verbunden waren,
recht eindeutig für dessen Zugehörigkeit zu Hausen.
Bei
eingehender Betrachtung der Situation gewinnt man die Überzeugung, daß
Walhart und wahrscheinlich auch die Aulenbacher und Echter ganz bewußt
darauf verzichtet haben, gegen Breuberg zu klagen, standen doch die
genannten Niederadeligen in vielfacher Lehensabhängigkeit von den
Breuberger Herren. Sehr wahrscheinlich hat sich Walhart sogar mit den
Grafen arrangiert: Er erhielt von ihnen Lehen im Umfeld von Hausen,
räumte den Grafen dafür Schafweiderechte in der Hausener Gemarkung ein
und brachte es sogar zum breubergischen Amtmann mit Burgsitz in Neustadt
zu Füßen der Herrenburg.
Wichtige Besitzbrücke
Ein
Blick auf die Karte verdeutlicht, wie strategisch vorteilhaft und damit
begehrenswert der Besitz der Schlothecke gewesen sein muß, stellte sie
doch eine Art Korridor vom Breuberger Territorium zu den im unteren
Mümlingtal im Kurmainzer Hoheitsgebiet gelegenen Besitzungen (Neustädter
Hof, Eisenbach) der gleichen Herrschaft dar. Hinzu kommen die gerade um
und nach 1500 verstärkten Bestrebungen, die Mainzer Landesgrenze durch
Landwehren bzw. deren Ausbau zu befestigen und - als Teilziel - damit
auch die Breuberger Wildbannrechte, die die Grafen von alters her bis an
den Welzbach inmitten des Bachgaues beanspruchten, zurückzudrängen.
Mittels des Schlothecken-Korridors konnte Breuberg diese Maßnahmen
zumindest teilweise unterlaufen und ihnen, in Verbindung mit seinen
Rechten in Eisenbach und am Neustädter Hof, an der unteren Mümling als
natürliche Grenze für einige Zeit Einhalt gebieten. Dies alles läßt
erkennen, wie wichtig die Schlothecke für Breuberg war und daß hier
zweifellos jedes Mittel gelegen kam, um deren Besitz zu sichern.
Jetzt
ist uns das starke Interesse der Breuberger an der Schlothecke und das
Verhalten jener Niederadelsfamilien verständlich, denen der Wald als
bambergische Lehensträger eigentlich zustand. Trotzdem ändert dies
nichts an der Unrechtmäßigkeit dieses Besitzüberganges. Gleich, ob es zu
Vereinbarungen zwischen den Genannten gekommen ist oder ob die
breubergischen Ansprüche zähneknirschend hingenommen worden sind, fest
steht - die Hausener Archivalien lassen keinen Zweifel daran aufkommen
-, daß das Domstift Bamberg als Lehensherr von Hausen nie, auch nicht
nachträglich, seine Zustimmung zur Veräußerung der Schlothecke gegeben
hat. Daran ändert auch die Wahrscheinlichkeit nichts, daß früher wohl
die Reiz von Breuberg (neben den Erlenbachern) von Bamberg mit einer
Hälfte von Hausen belehnt waren. Da die Reiz im Mannesstamm ausstarben,
ist der Besitz - da Mannlehen - an Bamberg heimgefallen.
Von Bamberg weit entfernt
Dennoch können wir die Bamberger Dompröpste, von denen wohl kaum einer
den fernen Hausener Besitz zu Gesicht bekommen hat, nicht frei von
Schuld an dieser Entwicklung sprechen. Zum einen hätten sie selbst
gleich nach Bekanntwerden einer Besitzentfremdung, spätestens beim
darauffolgenden Heimfall des Lehens, die nötigen Schritte einleiten
müssen; zum anderen offenbaren die anläßlich des Rechtsstreites zwischen
dem Ritter Walhart und dem Mainzer Erzbischof entstandenen Gerichtsakten
große Unsicherheiten bezüglich der Rechts- und Besitzverhältnisse in dem
ausgestorbenen bambergischen Dorf. Diese nicht rechtzeitig in
angemessener Form festgeschrieben zu haben, beispielsweise durch
ausführlichere Lehensbriefe, detaillierte Güter- und
Grenzbeschreibungen, war ein nicht wieder gutzumachendes Versäumnis des
Bamberger Domstifts und seiner Lehensträger. Solche
Dokumentierungsmängel mußten sich um so folgenschwerer auswirken, da
Bamberg mit den Rittern von Erlenbach, von Aulenbach, mit Walhart und
den Echtern politisch unbedeutende Niederadelsgeschlechter belehnt hat,
die Übergriffen der mächtigen Territorialherren keinen ernsthaften
Widerstand zu bieten vermochten, ja weitgehend von ihnen abhängig waren.
Den
Bamberger Dompröpsten deshalb auch unüberlegtes Handeln bei ihren
Lehensvergaben zu unterstellen, wäre jedoch ungerecht. Es ist
anzunehmen, daß sie ganz bewußt die Belehnung einer hier einflußreichen
Adelsfamilie, wie beispielsweise der Grafen von Wertheim (Herrschaft
Breuberg), vermieden haben. Denn damit wären Enteignungen noch
wesentlich einfacher gewesen, man hätte, wie man so schön sagt, „den
Bock zum Gärtner gemacht“. Das gleiche wäre der Fall gewesen, wenn
Bamberg seinen Besitz durch Mainz hätte verwalten lassen.
Was
die Grafen von Wertheim mit der Schlothecke begannen, hat Mainz in den
folgenden Jahrhunderten auf noch breiterer Basis fortgesetzt, bevorteilt
und bis zu einem bestimmten Grad auch legitimiert als Landesherr der
Mömlinger, die die Hausener Huben bewirtschafteten und natürlich auch
ihren eigenen Vorteil suchten. Ein solcher wäre es gewesen, sowohl für
die Mömlinger wie auch für Mainz und später Bayern, den Grafenwald zu
gewinnen. Aber bestand da in jüngerer Zeit überhaupt eine Chance? Die
breubergischen Ansprüche waren doch längst zementiert, trotz fehlender
schriftlicher Bestätigung.
Gab es überhaupt einen Prozeß?
Nicht
nur aus diesem Grunde ist der mündlichen Überlieferung von einem Prozeß
der Gemeinde Mömlingen mit der Herrschaft Breuberg um den Grafenwald,
wie sie Vogel in seiner Chronik festgehalten und in das frühe 19.
Jahrhundert datiert hat, mit Vorsicht zu begegnen. Zwar hätte das
angebliche Urteil in geradezu salomonischer Weise der für Breuberg
ungünstigen Rechtslage entsprochen, doch woher sollen die Mömlinger die
Beweismittel für die Zugehörigkeit des Grafenwaldes zu Hausen genommen
haben? Die Urkunde von 1490 war ihnen sicher unbekannt, ganz abgesehen
davon, daß die Ansprüche auf Hausener Grund und Boden eigentlich den
Dorfherren (damals die Grafen von Schönborn) bzw. deren Lehensherrschaft
zustand, die im Rahmen der Säkularisation von der Dompropstei Bamberg an
den König von Bayern überging.
Haben
sich die Mömlinger vielleicht auf althergebrachte Waldnutzungsrechte
berufen? Auch dies erscheint sehr fraglich, denn zum einen wurde ihnen
1492 ausschließlich der Buchberg zur Nutzung zugewiesen, zum anderen
haben die Breuberger Herren - zumal ihnen neben dem Wildbann auch die
Dorfgerichtsbarkeit in Mömlingen zustand - dies sicherlich von Anfang an
unterbunden. Gleiches taten die Grafen von Schönborn und ihre
Besitzvorgänger bezüglich des ihnen verbliebenen Restes des Hausener
Waldes. Gab es vielleicht gar keinen Prozeß der Mömlinger um die
Schlothecke?
Strittige Grenzsteine
Auf
die Spur zur Lösung dieses Rätsels führt uns ein weiterer Hinweis in
Vogels Aufzeichnungen. Danach habe man einige alte Grenzsteine entdeckt,
die bestätigt hätten, daß der strittige Walddistrikt tatsächlich einst
zu Hausen gehört habe. Allerdings spricht Vogel von „später“, meint also
offenbar nach Prozeßende, weshalb man dieser Angabe zunächst wenig
Beachtung schenkt. Doch vielleicht hat die Überlieferung gerade hier
einiges durcheinander gebracht.
Betrachtet man einschlägige historische Karten des fraglichen Gebietes,
so findet man auch dort das Gebiet der Schlothecke bzw. des Grafenwaldes
durchweg als Breuberger Wald ausgewiesen. Eine kleine, für uns jedoch
wertvolle Besonderheit ist lediglich auf einer Mömlinger Forstkarte von
1788 zu finden. Dort sind an der Mömlingen nächstliegenden Ecke des
Grafenwaldes, der hier als „Fürst von Löwensteinischer Wald“ betituliert
ist, zwei verschiedene Grenzführungen eingezeichnet. Die eine ist
identisch mit der heutigen Landesgrenze, die andere zwickt ein Stück vom
Grafenwald ab und weist es dem Mömlinger Buchbergwald zu. In das
dazwischenliegende Dreieck ist das Wort „strittig“ eingetragen!
Dies
dürfte - auch zeitlich passend - des Rätsels Lösung sein. Nicht der
gesamte Grafenwald war das Streitobjekt, sondern nur ein kleiner
Abschnitt, nicht um generelle Ansprüche auf ehemals Hausener Gemarkung
ging es, sondern um eine „Grenzirrung“ geringeren Ausmaßes, wie sie
früher zwischen Nachbargemeinden nicht selten vorkam, vor allem an
Territorialgrenzen. Darum also das vergebliche Suchen nach einer
speziellen Prozeßakte bezüglich des Grafenwaldes!
Nun
war wieder die Hoffnung gegeben, doch noch etwas über diesen Streit und
seine Hintergründe zu erfahren und damit auch diesen Teil der
Überlieferung zu erhellen, denn von Grenzstreitigkeiten zwischen
Kurmainz und Breuberg im Raum Mömlingen - Wörth am Main haben sich dicke
Aktenbündel in den Staatsarchiven Würzburg und Wertheim erhalten. Ihre
Durchsicht sollte sich lohnen!
„Elende
Schikane“
Anhand mehrerer Grenzbeschreibungen ist erkennbar, daß die Grenze
zwischen dem mainzischen Mömlingen und breubergischen Hainstadt zwar
schon früh wegen des Wüstwerdens von Hausen an mehreren Stellen strittig
war, doch im Bereich der Schlothecke war dies nicht der Fall, unterstand
doch letztere auch den Breubergern direkt. Hier wurde von beiden Seiten
jene Grenze anerkannt, die recht geradlinig „... zwischen dem Häußer
Wald und der Schlothecken auf der Höhe herab biß auf die Mümling, wo ein
Stein steht ...“ verlief. Uneinigkeit entstand erst bei einer von
Kurmainzer Seite 1783 durchgeführten Grenzbegehung, als man weiter
östlich zum Neustädter Hof zu, am Waldrand zwischen Schlothecke und
Hofäcker, einen Stein fand. Da dieser sich einerseits - ebenso wie jener
an der Mümling - als Eckpunkt der den Berghang herunterziehenden
Grenzlinie in Anspruch nehmen ließ, andererseits auf der Fluchtlinie der
sich östlich der Mümling fortsetzenden Gemarkungsgrenze zwischen
Mömlingen und dem Neustädter Hof stand, waren dies für Kurmainz bzw.
Mömlingen verständlicherweise schon Gründe, die bisher akzeptierte
Grenzführung in Frage zu stellen. Die fünf Jahre später entstandene
Mömlinger Forstkarte veranschaulicht die darauf abgestützte
Gebietsforderung.
Leider enthalten weder die Würzburger noch die Wertheimer Archivalien
Angaben darüber, wann und auf welche Art der Streit schließlich
beigelegt wurde. Dafür haben sich im Staatsarchiv Darmstadt einige
Schriftstücke erhalten, aus denen hervorgeht, daß man seitens der
Herrschaft Breuberg die Mömlinger Ansprüche am „Wächtel“ (das ist der
alte Flurname für den strittigen Grenzbereich) als „elende Schikane“
betrachtete, die man erst jüngst erfunden habe.
Bei
objektiver Abwägung aller Fakten verfestigt sich der Eindruck, daß die
alte (= heutige), von Breuberg beanspruchte und bis Ende des 18.
Jahrhunderts auch von Mömlingen bzw. Kurmainz akzeptierte Grenzführung
tatsächlich der ursprünglichen zwischen Buchberg und Schlothecke
entspricht, vor allem, weil die Grenze dort auf die Mümling trifft, wo
der Fluß dem Berghang am nächsten ist und auch die Gemarkung des
Neustädter Hofes beginnt.
Mömlinger gaben nicht nach
Die
Archivalien geben deutlich zu erkennen, daß die Mömlinger sich nicht nur
gegen ihnen ungerechtfertigt erscheinende Ansprüche der Herrschaft
Breuberg zur Wehr setzten, sondern auch keine Gelegenheit ungenutzt
ließen, breubergische Rechte in Frage zu stellen und nach Möglichkeit zu
verdrängen. Da man sich hierbei der Rückendeckung durch die
kurmainzische Obrigkeit sicher war, schreckte man auch vor
Gewalttätigkeiten nicht zurück. So kam es am 4. Juni 1755 zu einem uns
heute erheiternden Intermezzo. Als damals der breubergische Geometer
Deusinger samt Helfern damit beschäftigt war, die Landesgrenze zwischen
Mömlingen und Hainstadt zu vermessen, erschienen gegen 4 Uhr plötzlich
an die 50 Mann aus Mömlingen, nahmen ihm gewaltsam alle seine
Feldmeßinstrumente ab und erklärten, daß sie „... hierzu Befehl bekommen
und sie Chur-Maintzschen Grund und Boden zu messen nicht leiden würden.
Wir
wissen nicht, welche Seite bei dieser Auseinandersetzung im Recht war,
doch ist anzunehmen, daß es um ehemals Hausener und damit zum Mainzer
Hoheitsbereich gehöriges Gebiet ging. Dagegen wird man bezüglich des
Grenzstreites am Grafenwald den Verdacht nicht los, daß es hier
umgekehrt war, daß die Mömlinger damals den ungeliebten Breuberger
Herren, gegen die sie zu dieser Zeit von wegen anderer Angelegenheiten
vor Gericht zogen, „eins auswischen“ wollten. Wenn sie hierbei
vielleicht zu nicht ganz legalen Mitteln gegriffen haben - von
„entkommenen“ Grenzsteinen ist die Rede - wer wollte es ihnen verdenken.
Wie die Überlieferung sehr deutlich zu erkennen gibt, sahen sie sich
hierbei im Recht, betrachteten den Grafenwald als einst zu Hausen hinter
der Sonne und damit zu Mömlingen gehörig. Dieses Bewußtsein haben sie
von Generation zu Generation weitergegeben. Wir wissen jetzt, daß es zu
recht bestand, kennen seine historischen Wurzeln.
Der
damalige Grenzstreit war der letzte Versuch der Mömlinger, wenigstens
einen Teil der alten Hausener Schlothecke zurückzugewinnen. Heute
wundert man sich gelegentlich noch über den seltsamen Verlauf der
hessisch-bayerischen Landesgrenze im unteren Mümlingtal, doch das Wissen
um die Geschichte dieses Grenzzipfels ist längst verlorengegangen.
Veröffentlicht in:
Spessart, 1990, Heft 11, S. 11 - 16.